‚Wängeler‘ im Chorgerichtsmanual

Manual_erste Eintragung
Nach der Einführung der Reformation im Staat Bern ging die bis dahin vom Bischof ausgeübte Kirchenzucht und Sittenpolizei an den Rat der Stadt Bern über. Dieser fühlte sich von Gott verantwortlich, gegen die als Folge der vielen Kriege und des Söldnerwesens eingerissene arge Sittenverwilderung anzukämpfen. Er übertrug diese Aufgabe dem Chorgericht. Am 29. Mai 1528 schuf er ein solches für die Stadt. Am 8. März 1529 wurde verordnet, dass auch in jeder Kirchgemeinde in bernischen Landen ein Chor- oder Ehegericht einzusetzen sei.

1587 fängt das Chorgerichtsmanual von Köniz an. Die erste Eintragung lautet: «Manual des Chorgerichts zu Küniz, darinnen die Änderungen der Chorrichter und alle andern vor Chorgericht glüfner Händel uffgschriben sind. Angefangen im Meyen im jar als man zalt von Christi unseres Heilandes geburt 1587. Zu welcher zyt vogt allhir was der Edel, vest, ehrsam und wyss J. Sulpitius Brügger, burger zu Bärn, Predikant Christoffel Lüthart.»

Da es bis zum Jahre 1831 noch keine politischen Gemeinden im heutigen Sinne gab, hatte sich das Chorgericht mit Angelegenheiten zu befassen, die heute zum Aufgabenkreis der Gemeindebehörden gehören: Vormundschaft, Armenwesen, Heimatrecht, Wohnsitzwesen, Steuerangelegenheiten und die Schule gehören dazu.
Als Gerichtsbehörde hatte das Chorgericht seine Strafkompetenzen, nämlich Ermahnung, Warnungen, Verweise, Geldbussen, Gefängnis bis zu drei Tagen, Abbitte und den Herdfall vor versammelter Gemeinde. Der letztere bestand darin, dass der Sünder auf den Boden ein Kreuz machen, niederknien und die Erde küssen musste. Schwerere Vergehen gingen an das Oberchorgericht in Bern oder an den Kleinen Rat.
Natürlich gelangten nur diejenigen Leute ins Chorgerichtsmanual, die der Obrigkeit in negativem Sinne auffielen. Man darf also die vorkommenden Fälle nicht verallgemeinern.

  • 1587 als Eegöümer wird unter anderen Ludwig Dietrich zu Oberwangen aufgeführt. Zum sogenannten Wangenviertel gehörten: beide Wangen, Liebewil, Herzwil und Thörishaus.
  • 1588 24. August. «Uff denselben tag sind auch beschickt worden Anna Wenger und Elsbeth Bendicht Schwendis Frauw von Oberwangen, diewyl sy einanderen häfftig zugredt und geschmädt hattend. Und ndachdem sy der länge nach gegen einanderen verhört worden, und es sich befunden, da die Wengere von der Schwanderen ein Hur und hex gescholten worden, aber sölches nit bewisen können, auch sonst ein böss mul hatt und ihrem eignen mann gewünscht, das in der tonner erschiese, ist sy ernstlich kapitlet und umb 10 Schilling gstrafft worden. Diewyl aber die Wengere auch unnütze wort gredt, hatt sy zur straff 5 Schilling gäben söllen».
  • 1606 wird eine Wirtschaft in Wangen erstmals erwähnt. 1625 27. Tag Hornung. «Demnach ist beschickt worden der Wirt z’Wangen und gefragt, wär die jenig seyenn, die in seiner Wirtschaft gespielt. Daruf hatt er geantwortet, sey habin umb Weyn gespielt nit umb Geld. Ist gestraft worden umb 1 guldin».
  • 1657 5. Juli «Item die Sageren zu Wangen und des Christen Dietrichs Knächt, welche zusammen schlüffend ohne ehekontrakt, ist der Sageren der ergerliche ynzug vorbotten worden. Und multati 2 Pfund».
  • 1664 18. September kam ein ganz schwieriger Fall vor das Chrogericht: «Denne ist erschinnen abermal der alt Wirt zu Wangen, Niklaus Forster, der liederliche gottlose man, weil er am ersten Sonntag, da man communizierte und er selber auch das hl. Nachtmahl empfangen, darauff hin nach mittag ins Wirtshaus gangen, gsoffen, keiglet und hernach mit einem andern uneins worden, gantz leichtfertig geschworen. Ist ihme ein Epistel gelesen worden, theils öffentlich uff dem Kantzel in der predig, theeils dann auch vor Chorgericht ihme Gottes Gricht und Zorn vorgehalten worden. Und weilen er ein gantz verruchter man ist, gantz liederlich haushaltet, wie dass seine Frauw sich bei mir erklagt, dass er tag und nacht ussbleibe, erst dess morgens heimkomme. Und weilen ein Ehrbarkeit allhier schon unzahlbar mit ihme ze thun ghan, ware meine meynung, ds Er laut obrigkeitlichen mandats zum Herdfahl gehalten, und mit krefftiger vermahnung zur buss gehalten werde. Ist aber nochmalen für ihne erbitten worden, ds er noch diessmal mit wort und gelt abgestrafft werde. Ist also Er als ein leichtfertiger Flucher, Entheiliger und Schänder dess Sabbaths, als ein Weinschläucher, Fresser, Säuffer und Spieler noch milt gestrafft worden umb 10 Pfund».
  • 1665 9. Juli wurde dem Nachfolger des Niklaus Forster das «Hochoberkeitliche Mandat» über das Wirtschaftswesen vorgelesen, weil er am Sonntag kegeln liess, sogar selbst kegelte und ein «üppiges wesen» gestattete. Das Vorlesen des Mandats nützte aber nichts, denn im folgenden Jahre wurde er dreimal gebüsst unter anderem wegen «übermässigem fressen, sauffen, schweren, schlagen, zanken, vergeudung der gaben Gottes und entheiligung des Sabbaths». 1665 24. September. «Joggi Schwytzer zu Bottigen wegen seines übermahlen leichtfertigen Fluchens und Schwerens im Wirtshaus zu Oberwangen. Ist ernstlich vermahnt und dissmal gestrafft worden umb 2 Pfund».
  • 1677 9. September. «Citandi in posterum Michel Bürki von Oberwangen, welchem vor etwas zeits zu Niderwangen ist vorgehalten worden, ob seine Frauw eine Hex sey. Er hat nit viel darauf geantwortet, sonder läu gesagt, er wisse nit, ob sie eine seige oder nit, seinehalben möge es wohl sein.Cognitum: Weilen er zu dieser sach geschweigen, und nit begehrt seiner Frauwen Ehr wider die verlümder zu vertheidigen, und also die ursach ist, worumb wir haben müssen zusammen kommen, als soll er zu einer milten straff erlegen, wiewohl er mehr verdient hette 5 Sch».
  • 1677 wählten sie nur einen Profossen (Aufsichtspersonen über die Bettler): «Eodem ist abgerathen worden, dass ein Profoss solle bestellt werden, der durch ds gantze jahr umbher gehen solle. Darzu ist erwehlt worden Ludwig Dietrich von Oberwangen. Ihme ist geordnet zu seiner besoldung durchs gantze Jahr 12 Kronen in gelt und ein mütt dinckel und 1 mütt haber».
  • 1681 7. Augusti. «Hans Gäbhart weilen er zu Wangen in dem Wirtshaus sich mit Speiss und Tranck übernommen, ds ers hat widergeben müssen.Cognitum: Soll wegen seines sonst eingezogenen lebens anstatt drei Kronen laut der Satzung nit mehr erlegen als 1 Pf».
  • 1682 als während des 30-jährigen Krieges grosse Teile Deutschlands verwüstet wurden, nahm sich die Berner Regierung besonders der Evangelischen in der untern Pfalz an. Sie verordnete eine allgemeine Sammlung. Die Sammlung ergab im Wangenviertel 4 Kr 15 bz.
  • 1683 am 15. Februar wurde der Hans Wenger von Oberwangen vor Chorgericht geladen und gefragt, warum er seine Frau nicht zur Predigt schicke. Er sagte, es sei ihm leid, er könne sie nicht dazu bewegen. Er wurde aufgefordert, ihr nochmals ernstlich anzuhalten, den Gottesdienst zu besuchen. Wolle sie nicht, so soll er dem Pfarrer Mitteilung machen, «so will ich sie dann eine zeitlang zu mir ins Hauss nemmen, und so weit müglich auf den rechten weg weisen. Will sie aber nit, so sollen Mghn. berichtet werden».
  • 1685 9. Augusti. «Hans Schreyers Frauwen und Meitli, Item Uli Schindlers Frauwen und zwei Knaben alle von Oberwangen, weil sie wegen gewissen biren, welche das meitli soll gestolen haben, viel Zancks und uneinigkeit under einanderen gehabt. Sind zur einigkeit gemanet worden.Die Schreyerin darneben erinnert, dass Ihr meitli zur arbeit gewenne nit zum stählen. Schindlers aber, dass Sie Ihre bösen buben züchtigen, dass sie der nachbarschaft nicht überlegen seyen».
  • 1688 wird eine Wirtschaft in Oberwangen als wider die Ordnung bezeichnet, aber nichts entschieden, aber 1743 aufgehoben.
  • 1690 23. May. «Ulli Guggisberg von Schliern bekennt, er habe am Hirsmontag in Jaggi Balsigers haus zu Oberwangen gyget, seye von Caspar Kurtzen töchteren beschickt worden. Weil er wider vielfaltiges abmahnen das gygen nicht lassen kann und der arbeit besser obliegen will, soll er dissmahl in die gefangenschafft getan werden, und das so lang, biss er die Gygen in Chorgerichtlichen gewalt bringt.Soll auch, wann mehr in erfahrung gebracht wird, das er zum tantz uffspihlt, ihme kein Allmusensteur gegeben werden».
  • 1693 19. Marty. «Niclaus Dietrich, welcher von seinem eigenen Vatter verzeigt worden, dass er an Liechtmess abend uff der mühli zu Oberwangen gespihlt habe. Verlaugnet alles. Soll desswegen sein Vatter und Peter Zehnder gefragt, und sonst fleissig nachgeforscht werden, diese schandtliche Spiehlerbrutt dermahl eins zu entdecken».
  • 1752 9. Mai heisst es im Chorgerichtsmanual: «Erschinnen die Wirte in hiesiger Kirchhöri, namlich Joh. Scheitzer zu Wangen, Niclaus Spring zu Scherli, Anthon Theodor zu Köniz und der Pintenschenk zu Thörishaus, Lorentz Funk, welche ernstlich ermahnet worden, Mghn. Ordnung dess Wirtens halb nachzukommen und nicht über die Zeit zu wirten, welchem auch getreulich nach möglichkeit zu entsprechen, sie formlich angelobet».
  • 1792 wegen eines Tanzanlasses in Wangen kam es zu eineme Kompetenzstreit zwischen dem Oberherrn von Bümpliz und dem Chorgericht in Köniz. «17. August 1792.Niklaus Hänni, Wirth zu Wangen erschien und gestund, vor 14 tagen sey bey ihm getanzt worden, dazu er auch Erlaubniss vom Herrn Oberherrn zu Bümpliz erhalten habe. Da aber besagter Oberherr der Civil Richter des Orts ist, das consistoriale aber von Uns abhängig ist, so konnten wir uns damit nicht begnügen. Busse 6 Pfund».